Als hätte er nicht schon genug Probleme mit auseinanderdriftenden Kräften in der anglikanischen
Kirche: Rowan Williams, der Erzbischof von Canterbury und geistliches Oberhaupt der
anglikanischen Kirche, hat Krach mit seinem Amtsvorgänger George Carey. Er solle doch
bitte mit dem "illoyalen Verhalten" Williams gegenüber aufhören, steht in einem Brief
an Carey, der derzeit unter anglikanischen Bischöfen zirkuliert und den nach Schätzungen
der Zeitung "The Sunday Times" 15 Oberhirten unterschreiben wollen. Carey wird
vorgeworfen, sich als "alternativer Führer" der Kirche ins Spiel zu bringen; im Hintergrund
stehen ernste Meinungsverschiedenheiten zwischen den zwei Spitzen-Anglikanern, was
die Bischofsweihe für Frauen, was homosexuelle Priester und was das Gespräch mit dem
Islam betrifft. Carey wird, und er scheint sich nicht besonders dagegen zu wehren,
offenbar immer mehr zum Spitzenmann des konservativen Flügels in der anglikanischen
Kirche, der vor zu heftigen liberalen Schwenks warnt. "Ihre Handlungen seit Ihrem
Rücktritt als Primas", so heißt es in dem Brief, "torpedieren die Bemühungen von Erzbischof
Williams, die anglikanische Gemeinschaft zusammenzuhalten; er verdient nicht die Illoyalität,
die Sie ihm derzeit erweisen. Wir bitten Sie, sich nicht mehr in Bereiche einzumischen,
die Sie nichts mehr angehen, und das Werk Ihres Nachfolgers nicht zu unterminieren."
Diese Worte zielen etwa darauf, dass Carey vor kurzem wissen liess, er schäme sich,
Anglikaner zu sein. Damit hatte Carey eine mit Beteiligung von Williams getroffene
Entscheidung der anglikanischen Generalsynode angegriffen, bei der es um moralische
Unterstützung für die Palästinenser ging. Die Worte zielen auch darauf, dass Carey
sich vor zwei Jahren bei einer Reise in die USA sehr deutlich gegen homosexuelle Kleriker
ausgesprochen hat. Dass Carey, der im Vatikan wegen seiner ökumenischen Bemühungen
immer sehr geschätzt wurde, etwas gegen Rowan Williams hat, weiß man seit 1998: Damals
versuchte er, seine Ernennung zum anglikanischen Bischof an Southwark Cathedral zu
verhindern. Der so heftig kritisierte Rentner sagt zu dem offenen Brief: "Aber ich
unterstütze den Erzbischof von Canterbury doch vollkommen. Die Autoren dieses Briefes
wollen offenbar Spaltungen schaffen, da wo gar keine sind." Diese Äußerung ist allerdings
nicht ohne britisches Understatement, denn dass die anglikanische Kirche tief in sich
gespalten ist, scheint Beobachtern offensichtlich. Primas Rowan Williams muss sich
gegen Gerüchte wehren, dass er einen frühen Abgang schon in zwei Jahren plane. (rv
24.04.06 sk)